Videodokumentation: "Theater der Welt" kündigt an Aktion 18 - Der deutsche kennedy: "Deutschland muß Buße tun" "Wir werden große Ereignisse nutzen, um sie
blau-gelb einzufärben. Das Projekt 18 bietet den Rahmen, um das Gütesiegel
18 auch an unerwarteten Plätzen und bei unerwarteten Gelegenheiten
zu präsentieren." Auf vielfachen Wunsch selbstinszenierender Parteivorsitzender, politikverdrossener Medienmacher und fallschirmspringender Populisten schaltet sich Christoph Schlingensief kurzfristig in den optimistischen und originellen FDP-Bundestagswahlkampf ein. Scheitern als CHANCE2OOO war gestern - die Zukunft ist blau-gelb! Im Rahmen des Festivals THEATER DER WELT startet Christoph Schlingensief am 22. Juni die Aktion 18 und macht sich auf eine repräsentative Deutschlandtour durch Rheinland und Ruhrgebiet - das Land des Parteisoldaten Jürgen W. Möllemann. Starten wird die Tour um 12 Uhr vor der Firma WEB/TEC, der Möllemann eigenen Wirtschafts- und Exportberatung, in Düsseldorf. Bonn, Duisburg und Köln sind weitere Stationen der einwöchigen Aufklärungsreise. Auf Straßenfesten, Früh- und Dämmerschoppen, Kundgebungen und Grillfesten wird Christoph Schlingensief, aus Mangel an Alternativen nun doch Wahlkampfleiter der Liberalen für das ganze Volk, die Politainment-Strategien der beiden Spaßparteiheroen gegeneinander abwägen und ihre Wirkung auf die anwesende Wählerschaft überprüfen: "Wir wollen die FDP durchspielen!" Ranghohe Funktionäre der FPÖ und der Liste Pim Fortuyn werden die Aktion 18 live kommentieren. In Anlehnung an Bretons Schuß in die Menge und Beuys´ Einsatz für eine kunstvolle Demokratie wird Christoph Schlingensief an ausgewählten Orten 7000 Patronenhülsen vergraben, in einer Andacht dem Bildungsreformer Robert Steinhäuser gedenken und mit anderen Minderheiten den Schulterschluß suchen. Er trifft dabei auf Menschen, denen er seine Botschaft in der Sache fundiert (Möllemann), in der Form unterhaltsam (Westerwelle) überbringt: "Ich bin einer von Euch - ich bin ein Liberaler!" Örtliche FDP-Kandidaten werden die Aktion 18 mit dem eigenen Wahlkampf zu verbinden wissen. Über ein Aktion 18-Konzert der neuen Popband MUTTER SUCHT SCHRAUBEN, die sich im Rahmen des TV-Behindertenmagazins FREAKSTARS3OOO (Viva Plus) gefunden hat, wird zur Zeit verhandelt. Viele andere bildhafte Aktionen können und sollen im Verlauf der komprimierten Deutschlandtour inszeniert, d.h. realisiert werden. Die Internetseite www.aktion18.de gibt stets aktuelle Auskunft über Aktion 18 und hält alle Interessenten über Stationen und Aktionen auf dem Laufenden. Mit freundlichem Gruß
Ich stoße verspätet zum Straßenkampf dazu.
Die Strategiesitzung im Aktion18-Büro hat länger gedauert. Miese
Stimmung, weil die Internetseite www. aktion18.de klemmt. Das kann man
sich in Zeiten der symbiotischen Verflechtung von Politik und Medien nicht
leisten. Stellen Sie sich vor, die Nazis wären schon vernetzt gewesen,
was wäre da möglich gewesen. Man hätte ganz anders an die
Volksmassen herantreten können. Karsli hat ja mittlerweile Friedman
und Spiegel wegen Volksverhetzung verklagt. Unsere Wut wächst. Der
Gedanke an Selbstmordattentate wächst. Sagt was ihr denkt und
tut was ihr sagt!, lautet Jürgens Ratschlag. Das ist das ganze
Geheimnis seiner Trümmerpolitik. Also auf die Straße. Trommeln, trommeln, trommeln! Bücher und Flaggen, alles muss brennen. Wer uns beschmutzt, den müssen wir verhexen, brülle ich und schleppe die ersten 20 Kilo Federn zum LKW. Bald kommen auch die Klaviere, Teer und 7000 Patronenhülsen. Ab Montag wird zurückbeschmutzt. Kerstin und Achim betreuen unseren Stand in der Duisburger City. Videos mit afrikanischen Ritualen, brennende Bücher und geteertes FDP-Werbematerial. Eine gute Mischung. Aus Passanten werden Menschenmassen und aus Massen eine Volksbewegung. Nebenan packt die Konkurrenz ein. Wer will schon CSU-Kulis? Achim hat einen Volksempfänger aufgedreht. Das Deutschlandlied erklingt. Populismus kommt von populär und heißt Suche nach dem kleinsten Nenner. Einige Zuhörer legen die Hand auf die Brust und singen mit. Achim und ich zünden Grablichter an, letzter Gruß an Pim Fortuyn. Dann bahnt sich die Katastrophe an. Grölende türkische Fußballfans marschieren auf uns zu. Straßenkampf. Jungliberale rüsten zum Gegenangriff, ich kann sie aufhalten. Mit dem Volk im Rücken sitzen wir eh am längeren Hebel. Kurz vor 16 Uhr bauen wir ab. Am Montag geht es nach
Düsseldorf. Kundgebung vor WEB/TEC, Jürgens Exportfirma. Start
um 12 Uhr, Achenbachstraße 56. Deutschland, wir sind für Dich
da!
Tag 2 Köpfe müssen rollen für
den Sieg. Nach dem Straßenkampf nun Theater Duisburg, ehemals Sportpalast.
Der Erwartungsdruck ist enorm. Die Internetseite www.aktion18.de explodiert.
Viele politische, verdrossene und politikverdrossene setzen große
Hoffnungen in unseren Abend unter dem Titel Quiz 3000 - Edition
Wahlkampf. Am Bühnenrand ein großes Foto des Antichristen
Möllemann, der in den vollen Saal starrt und nach Gotteskriegern
sucht. Die Kandidatin Kerstin Grassmann muß bei der Frage nach dem
letzten Waffendeal der Möllemann eigenen Exportfirma WEB/TEC passen.
Ich biete ihr den Todesjoker an, um das Problem zu lösen. Möllemann
muß durchgespielt und beantwortet werden. Deshalb Möllemann
im Kostüm eines lebendigen Huhns, schon in der Bibel Künder
des Verrats. Kerstin zögert, Gewinn und Verlust müssen gegeneinander
aufgerechnet werden. Ich ermutige sie, den persönlichen Sieg als
Sieg der Volksgemeinschaft zu betrachten und endlich zuzuschlagen. Ein
Triumph des Willens. Während Kerstin noch überlegt, bohre ich
Möllemann am Bühnenrand ein Loch in die Augen. Ich halte es
vor mein Gesicht und blicke, jetzt selbst Möllemann, in die Menge.
Ob sich der Blick verändert? Das Licht wird allmählich tiefblau.
Habe ich jetzt Röntgenaugen und erkenne Juden, Talkmaster und jüdische
Talkmaster auf 100 Meter Entfernung? Duisburg im Saal ist verwirrt. Schon
kleine Lösungen sind nur schwer zu finden und der Weg zur Endlösung
deshalb noch weit. Von hinten ein dumpfer Schlag: Kerstin hat zugeschlagen.
Blut fließt. Der Saal tobt, das Spiel kann weiter gehen. Auch am Montagmittag, 12.00 Uhr in der Düsseldorfer Achenbachstraße. Die Jeans in die Stiefel gesteckt und die Fischerweste an. Beuys ist bei uns, der einzige Verfechter einer demokratischen Kunst. Die Wahlkampfhelfer Kerstin und Achim fahren gemeinsam mit mir in einem sonnig gelben US-Schulbus zum Waffenhändler Möllemann. Vor uns der Requisitentransporter mit ortskundigem Fahrer. Unsererseits steigt die Orientierungslosigkeit. Was hat dieser Hetzer nicht alles angerichtet in seinem führergleichen Größenwahn. Er hat eine längst todgeschwiegene Logik wieder belebt. Um Wählerstimmen zu bekommen, muß man den Antisemiten geben. Deportationen jetzt! Die Achenbachstraße ist dicht. Polizei, Pressefotografen und Filmstudenten vom Staatsschutz. Wir bahnen uns den Weg durch die schaulustigen Demonstranten. Vor uns hält der Transporter. Wir steigen aus und der Polizeieinsatzleiter kommt auf mich zu. Er weist mich auf mögliche Gesetzesverstöße hin und kündigt einen Gegenangriff an, sobald das Deutschland Möllemanns beschmutzt werde. Aber genau das ist der Haken, an dem wir gerade zappeln,
das ist der Fehler im System! Beschmutzt worden sind doch wir! Also das
Klavier aus dem Transporter und in den Eingang der Firma WEB/TEC. Waschpulver
ins Klavier und die Töne auf ihre Reinheit hin untersucht. Dieser
Ort bedarf eines Rituals der Sauberkeit. Die Altlasten der Möllemannära
müssen entsorgt werden: die beschmutzte Flagge des Staates Israel
und eine anonyme Strohpuppe. Sie steht für die Achse des Bösen.
Nun werden 20 Kilo Federn verteilt, 7000 Patronenhülsen in Möllemanns
Waffenfirmagarten geworfen. Dazu noch stinkender Fisch. Ein altes Hexenritual.
Auf Beschmutzung folgt Abwehr.
Les ich von Deutschland in der Nacht. .. Der Blätterwald brennt. Ein an dieser Stelle ungenanntes Massenblatt, dem ich herzlichst zum 50. Geburtstag gratuliere, nimmt die im Theater Duisburg inszenierte Textpassage genüsslich auf. Das Zitat eines Zitats. Erstmals und einen Tag nach dem 50. Geburtstag steht man auf der Titelseite. Die Textpassage wird genüsslich in Schriftgröße 48 präsentiert – bevor man sich darüber empört. In Theater und Internet seien Naziphrasen gedroschen worden. Die Inszenierung im Theater Duisburg hat sich niemals vom Zustand der Inszenierung gelöst. Die politische Inszenierung dagegen wird unter dem Begriff der Medienwirklichkeit zum Status quo erklärt. Möllemanns Stück neigt sich derweil dem Ende zu. Niemand ist ihm ans Leder gegangen und der Schlussapplaus fällt kläglich aus. Die Aktion 18 hat gleich zu Beginn eines auf sieben Tage angelegten Projekts Bilder und Zitate collagiert, die jetzt zur Diskussion stehen, die im Verlauf der Straßenaktionen und anschließend in den Redaktionen kontrovers verhandelt werden. Gestern, in den Düsseldorfer Rheinauen, eine Buchverbrennung. Beifall und Buhrufe der zahlreich Teilnehmenden. Das ist eine Basis der Auseinandersetzung. Politiker werden darauf getrimmt, mit dem Mund zu zündeln, wir benutzen wenigstens noch Feuerzeuge. Die Gegenseite hat es uns gleich getan und den Weg in die Inszenierung genommen. Eine Sackgasse. Direkt in das nächste Stadttheater. Die Maskenbildnerin hat die Augenhöhlen dunkel getönt. Die tiefen Augenringe, die sich in der Antisemitismus- und Friedman-Debatte eingegraben haben, sind noch mal betont worden. Der deutsche Michel heißt jetzt Jürgen und trägt schwer unter der Kollektivschuld, die er sich in freier Medienbahn auf die Schultern lädt, während Restdeutschland Fußball guckt. Angriff, Tabubruch, Opferrolle, Gegenangriff, Entschuldigung, letzteres natürlich nur eingeschränkt, es muss ja irgendein Bösewicht auf dem Schachbrett vorhanden bleiben. Der Polizeihelikopter bleibt auf Distanz und genießt
das Bild eines menschlichen Diskurses, der sich um ein Feuer versammelt.
Achtung, auch dies ist ein Zitat. Ich bin stolz auf dieses Projekt, auf
Aktion 18 und unsere ganz eigene Wahlkampftournee. Ihre Inhalte übergebe
ich hiermit feierlich an Deutschland. Aktion 18 heute! Um 16 Uhr machen wir vor den Bonner Kammerspielen Halt. Aktion 18 stellt sich zur Diskussion, andere zur Disposition. Kerstin und Achim, unsere Aktionisten, sind mittlerweile im Dauereinsatz. Streitgespräche hier, Strategiesitzungen dort, ein Interview hier, ein Beitrag dort. Sie sind unermüdlich und wissen um die Notwendigkeit der Sache. Am Abend referieren sie an einem FDP-Stammtisch in einer Kölner Gaststätte über "Liberale Argumentationsmuster im Wahlkampf". Sie werden den zweifelsfrei zahlreichen Zuhörern raten, sich nicht derer ihres Stellvertretenden Vorsitzenden zu bedienen. Die Staatsanwaltschaft hat ihm Nazi-Rhetorik attestiert. Ein Deutschmann, wer böses dabei denkt. An unserem schmucklosen Stand vor den Kammerspielen liegt ein Kondolenzbuch aus. Im Hintergrund ein Trauermarsch. Wir trauern um Möllemann und seine Kameraden, die Populismus zum politischen Standpunkt verklären. Das Festival "Theater der Welt" wird unterdes massiv angegriffen, weil es sich nicht damit begnügt, ästhetisch zu wirken. Es will auch politisch bewirken. Zwei Dinge auf einmal, das geht nun wirklich nicht. Über den Rahmen des Festivals hinaus wird Aktion 18 und die damit verbundene Internetseite www.aktion18.de fortgesetzt. Der Schmutz war schon vorher da. Wir wühlen ihn auf und durcheinander. Und es ist dieser aufgewühlte Politschmutz, der mich in der lange schon todgesagten Hoffnung bestärkt, daß Kunst im politischen Raum noch Wirkung erzielen kann. Aktion 18 hat jetzt ein Ausmaß erreicht, das mich an die Wiener Containeraktion erinnert. Der Dumpfheit der FPÖ hat Möllemann die Krone aufgesetzt, Parteidiener eben. Aktion 18 wird weiter beobachten und wahlkämpfen. Möllemanns Nervenkostüm ist schon ziemlich zerfleddert. Wir wollen ihn nackt sehen! Bis zum 22. September wird eine weitere Aktion vor seiner Waffenfirma WEB/TEC in der Düsseldorfer Achenbachstraße 56 stattfinden. Die Politik ist weiter im Proberaum ihrer eigenen Aufführung. Genau jene Politikaster, die uns permanent von der Realität erzählen und die größten Betrugsinszenierungen aufführen, wenn sie sich auf der Bühne wiederfinden. Sie werden auf dieser bleiben müssen.
Tag 5 Machen Sie den Weg frei, das Theater ist da! Wenn Sie nicht
ins Theater kommen, kommt das Theater eben zu Ihnen. Ob es noch Grenzen
gibt zwischen Wahrheit und Spiel, und falls ja, wo diese Grenzen liegen,
ist dann Ihr Problem. Nicht anders springen die mit Ihnen um, die sich
Politiker nennen. Bedienen sie sich den Mitteln des Theaters, dann bedient
sich das Theater den Mitteln der Politik. Es gibt keine Kompetenzen mehr.
Es gibt nur noch Divergenzen zwischen politischen Inhalten und denen,
die solche Inhalte als Plattitüde vermitteln. Wer übernimmt
noch Verantwortung für das, was er sagt ? Aktion 18 geht jetzt zu
ende. Unsere Spieler waren, was ich nicht extra sagte, Geister und sind
nun aufgelöst in Luft, in dünne Luft. Der optimistische und
originelle Kampf der Parteien um die Reichstagsplätze hält das
Land in Atem und sorgt zunehmend für Erstickungsanfälle. Politik
wird nicht länger im Theater inszeniert, sondern im Bundesrat. Geschichtslehrer
schreiben Geschichte mittlerweile selbst. Fallschirmspringende Gelegenheitsantisemiten
und ihre PR-Piloten diffamieren je nach allgemeiner Stimmungslage im Sturzflug.
Es mangelt an Sauerstoffzelten. Argumente werden unterdes zur Fahndung
ausgeschrieben. Populismus und Politainment feiern ihren Endsieg über
Inhalte. Bestzeiten im Amoklauf werden live von n-tv per Hand gestoppt
und im Rennen um die schnellste Kranzniederlegung nochmals unterboten.
Rekordbrüche allerorts. Wer wahrt vor welchem Untersuchungsausschuß
sein Pokerface? Was sagt Westerwelle vor Yad Vaschem? Antisemitismus in
Recklinghausen? Welcher Architekt plant welches Lügengebäude?
Wir sind der Stoff, aus dem die Albträume sind. Michael Vesper, Kultminister von Nordrhein-Westfalen, bezeichnet
in einem WDR-Interview Kunst, die ins Leben tritt, als "geistlos".
Wie kann Kunst geistlos sein, wenn sie dort stattfindet, wo es ohnehin
längst spukt? In der Düsseldorfer Achenbachstraße, Sitz
der Möllemannfirma WEB/TEC, ist Geisterstunde. Vielleicht hat sich
deshalb keiner reingetraut. Aktion 18 will die Geister sehen, die hier
rufen und die den Subtext vom machtgeilen Juden sprechen, um vom machtgeilen
Liberalen und seinen Machenschaften abzulenken. WEB/TEC bleibt im Visier. In meinem Kopf wird zur Zeit ein Film entwickelt, der möglichst bald gedreht werden muß. Freakstars3000 meets Aktion 18. Ein Horrorfilm. Lars von Triers KINGDOM, garniert mit Herzogs ZWERGEN. Eine mysteriöse Kriminalgeschichte - verstörte Abgeordnete irren durch das Geisterschloß Reichstag auf der Suche nach dem letzten wahrhaftigen Gedanken in ihrem Leben. Der Detektiv ist parteiunabhängig. Zur Klärung des Falles versammelt er sämtliche Fraktionsmitglieder im Plenarsaal. Bedienen sie sich den Mitteln des Theaters, dann bedient sich das Theater den Mitteln des Films. Das Casting demnächst auf Phoenix... |
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Welches Buch sollen wir öffentlich verbrennen? |
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